Die Geschichte des Israel Levine

Ganz viele Gänsehaut-Momente

Samstag, 08. August 2020

WN-Bericht von Daniela Allendorf

Yolanda Loo-Bessems und Guido Loo im Heimathaus Yolanda und Guido Loo (r.) sind auf der Suche nach Hinweisen zu dem über Ostbevern abgestürzten US-Soldaten Israel Levine. Dabei haben sie auch die Absturzstelle nahe des Hofes Große Inkrott und das Heimathaus besucht, wo sie sich mit Klaus Brandes und Franz-Josef Elberich (v.l.) unterhielten.
Fotos: Daniela Allendorf/Klaus Brandes
Yolanda Loo-Bessems und Guido Loo an der Absturzstelle in der Nähe des Hofes Große Inkrott

Ostbevern. „Es waren so viele Gänsehaut-Momente“, sagt Yolanda Loo-Bessems. Die 55-jährige Niederländerin war in den vergangenen beiden Tagen in der Bevergemeinde zu Gast, um weiter nach Informationen über den in Ostbevern im Zweiten Weltkrieg abgestürzten USSoldaten Israel Levine zu suchen. Bereits zu Beginn des Jahres hatte Loo-Bessems Kontakt über die sozialen Medien in die Bevergemeinde gesucht (WN berichteten). Die Niederländerin, die 2002 die Patenschaft für das Grab des Amerikaners auf dem Soldaten-Friedhof in Margraten übernommen hat, wollte gerne mehr über „ihren“ Soldaten erfahren, wie sie sagt. So machte sie sich auf die Suche.
2010 erhielt sie unter anderem die „Akte“ über Levine von den amerikanischen Militärbehörden. Das habe dem bis dahin unbekannten Mann ein Gesicht verliehen. „Er wurde in den Staaten nur ‚Ted‘ genannt“, berichtet Yolanda Loo-Bessems. Deswegen sei es zu Beginn äußerst schwierig gewesen, überhaupt seine Familie zu finden. Doch das ist ihr inzwischen gelungen, und sie steht seit eineinhalb Jahren in regem Austausch mit den Hinterbliebenen.
„Eine Nichte von Israel, die Tochter seines jüngsten Bruders, ist sehr interessiert an der Geschichte“, weiß die Niederländerin. Denn auch die ganze Familie wisse nicht viel über den Verbleib. des Sohnes, Bruders und Onkels. „In den Staaten war Israel nur als vermisst gemeldet“, sagt Loo-Bessems. Es müsse schlimm für die Eltern gewesen sein, nicht zu wissen, was mit ihm passiert ist. „Ich hoffe, dass er eine einigermaßen würdevolle Bestattung in Ostbevern bekommen hat. Ich will das einfach glauben“, sagt die 55-Jährige im Hinblick darauf, dass Levine Jude war.
Nachdem sich zu Beginn des Jahres der Kontakt nach Ostbevern entwickelt habe, sei schnell der Wunsch gewachsen, zu dem Ort zu reisen, an dem Israel Levine – er wurde von den Deutschen getötet, als er an seinem lebensrettenden Fallschirm über der Ostbeverner Dorfbauerschaft zu Boden glitt – für einige Jahre seine letzte Ruhe fand. 1947 wurde er mit zehn weiteren Todesopfern exhumiert und auf den Soldatenfriedhof nach Margraten in den Niederlanden überführt.
Bereits zu Beginn des Kontaktes war Klaus Brandes derjenige – unterstützt von seinen Mitstreitern aus dem Heimatverein –, der sich der Geschichte annahm und Yolanda Loo-Bessems mit Informationen versorgte. Beim ersten Treffen war gleich ein freundschaftliches Verhältnis da. „Ich bin wirklich beeindruckt von der Offenheit und Hilfsbereitschaft, mit der ich hier in Ostbevern empfangen wurde.“ „Das war auch für uns einfach eine Herzenssache“, sagt Klaus Brandes, der gerne zu einem Gegenbesuch in Margraten reisen würde.

Picknick an der Friedenslinde Picknick an der Friedenslinde: Klaus und Anne Brandes haben spontan eine Radtour mit den Gästen organisiert.
Happy Stones - Lächeln inbegriffen Ein kleiner Stein, der ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Mit Gästeführerin Marianne Pottebaum an der Gedenkstätte auf dem Alten Friedhof Gästeführerin Marianne Pottebaum nahm sich spontan Zeit für den Besuch aus den Niederlanden und erläuterte Yolanda und Guido Loo die Gedenkstätte auf dem „Alten Friedhof“. Fotos: Klaus Brandes.
Für die Reise in die Bevergemeinde stand neben dem Besuch des „Alten Friedhofes“ – Marianne Pottebaum hatte sich spontan bereiterklärt, den Besuchern alles Wissenswerte rund um die Gedenkstätte zu erläutern – eine Radtour zur Friedenslinde auf dem Programm. Klaus und Anne Brandes organisierten kurzerhand Räder für die Gäste, und nahmen sie mit auf eine kleine Rundtour.
Am Freitag ging es für die Niederländer noch zum Hof Große Inkrott unweit dessen Levine tot an seinem Fallschirm zu Boden glitt. „Gänsehaut“, sagt die 55-Jährige immer wieder. „Israel war da gerade 26 Jahre. Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich.“ Sowohl die Niederländer als auch die Ostbeverner sind tief erschüttert, während sie immer tiefer in die Geschichte des amerikanischen Soldaten eintauchen. „Es haben ja auch nicht nur die Amerikaner viel mitgemacht. Die deutsche Bevölkerung ja genauso“, sagt Loo- Bessems, die bei ihrem Aufenthalt nicht nur viel über Levines Geschichte erfuhr, sondern unter anderem auch über die siebenköpfige Familie, die ursprünglich im Heimathaus war und die bei einem Bombenangriff auf Münster – sie waren gerade dort zu Besuch – getötet wurde. „Das hat mich alles sehr beeindruckt, und ich muss mich unbedingt zu Hause hinsetzten und das alles aufschreiben“, sagt sie. Die Emotionen, die dieser Besuch ausgelöst hat, sind ihr deutlich anzumerken.